Samstag, 28. Januar 2006

thaumazein

Matthias schrieb mir ´mal, daß es wohl kaum mein Interesse sein könne, zu verschrecken, mit Musik. - Ich bin mir da gar nicht so sicher, wirklich nicht. Mir geht´s um thaumazein (altgr. für "staunen, hochschätzen,nicht begreifen können, wissen wollen"), & das schließt den Terror mit ein. Thaumazein ist keineswegs ein gewaltloser Prozeß/Zustand, sondern eine Erschütterung in den Grundfesten. Das hat ´rein gar nix mit Spaß zu tun, oder Erbauung. Es wäre ein böses Mißverständnis, wenn das verstanden würde auf einer psychologischen Basis, oder irgendwie Selbsterfahrungs-mäßig eingeordnet. Ekelhaft, sowas.
Dagegen Hölderlin: "Jezt [sic] komme, Feuer!/Begierig sind wir/zu schauen den Tag./Und wenn die Prüfung/Ist durch die Knie gegangen,/Mag einer spüren das Waldgeschrei." (Der Ister)
& natürlich der Rilke: "Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel/Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme/einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem/stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts/als des Schrecklichen Anfang, den wir grade noch ertragen,/und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,/ uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich." (Erste Duineser Elegie).
Alles andere ist kindischer blasierter Schmarrn.
Kunst zu machen & zu empfangen ist eine feste Anspannung alles dessen, was mich macht, alles zusammen, & es ist einen Dreck wert, wenn es nicht durchreflektiert ist, sauber begriffen. Es muß weh tun, leicht jedenfalls darf es nie sein, oder einfach. Ich red´ jetzt nicht von einer metaphsysischen Heroik, sondern von einem internen Getriebensein, nix von BlutundBoden-Romantik des Sichbewährens & so Krampf, sondern vom Arbeiten, vom ´Rumstochern & sich Abmühen; & dann, wenn ich durch bin, rücksichtlos dem Gegenüber in´s Gfries, bis es steckenbleibt, bis alles Menschliche, alle Anthropomorphie d´raus vertrieben ist, bis es ganz & gar durchlässig ist. Dürer spricht von Gottes Hand, die ihm den Stichel führen soll, & daß sein Ego nur durch die Fehler sich zeigt, wie sehr er dem noch im Wege steht. Das genau ist es, alles wegschaben & abhauen, was noch an Schranken & Fisimatenten von mir selbst in meinem Kunstmachen noch d´rinsteckt, nicht metaphysischer ewiger Wahrheiten wegen, sondern um alle Kraft bündeln zu können, um ein Loch zu schlagen in´s Draußen, in´s Gegenüber, um, wie bei Celan, jenseits der Menschen sich den Lichtton zu greifen. & das brennt, wenn/was ich da anfasse.

ultraschall VI & VII

/VI:
Die Stimme ist doch die Königin unter allen Instrumenten - G.F.Haas, Drei Liebesgedichte nach Texten von A. Stramm (für 6 Stimmen): Wenn man tremolierende Stimmen in allen Lagen knapp gegeneinandersetzt, sowie deren Ein- & Aussätze, bekommt man ein irisierendes, reibendes Filzgeflecht bedrohlichster Natur, es war so großartig. A. Dohmen, Portraits und Wiederholung (für 7 Stimmen, Diktiergeräte & Snaredrums): Die Lautsprechermembranen der Diktaphone sind ja sehr klein, &, voll aufgedreht, kreischt & scheppert der vorher aufgenommene Gesang enorm da ´raus, & Stimmen gegen die Snares gesungen ist eine unglaubliche Technik, das alles sauber intrapoliert & verschoben, daß es eine posttonalste Freude ist. & am Ende noch E. Poppe, Knabenträume (für Ensemble): Vor allem dynamisch extrem rücksichtslos, vom äußersten pppp bis zum glühenden Draht ´rein in´s cranium hochlagigen ffff, ein Wahnsinn, sehr überwältigend, die Partitur taumelte wunderbar, fiel nie, es rieben sich so fantastisch im Ohre die Differenztöne & Knirschen, so wie es sein muß. & ich dachte, ich hätte eine pathologische Neigung für hohe Register...
/VII: Der totale shootout auf dem ss: G. Netti, Necessitá d´Interrogare il Cielo (ss alleine) - so ´was gibt´s gar nicht, fast 90' lang eine Mehrklangorgie, ehrlich wahr, in einer sehr stillen, konzentrierten ev. Kirche, jegliche Lage ausgenutzt, die Partitur völlig durchsättigt wie´s sein muß, extrem reich & verklebt jeder Ton, großes Schimmern & shiften von Tonmeuten in alle Richtungen, Echo mit selbst, Timbretremolos bis einem die Ohren überliefen...zwischendurch, Gottseidank zwischen 2 Sätzen, kackte ihm auch noch das Blatt ab, ist kein Wunder, wirklich nicht, der Performer, M. Weiss, sehr freundlich & zugänglich, wir stehen in Kontakt, denn das Stück muß ich haben, koste es was es wolle, ist im Selbstverlag, bekomme die Adresse dies unglaublichen Komponisten.
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